Bundestagsabgeordneter Josef Oster im Austausch mit der Leitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz
Vom Betrüger bis zum Terroristen, vom Dieb bis zum Serienmörder: Die Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz bilden das gesamte Spektrum an möglichen Verbrechen ab – und doch gilt für sie die Unschuldsvermutung. Denn in der Koblenzer JVA sitzen im Wesentlichen nur Untersuchungshäftlinge ein, also solche, denen das Hauptverfahren noch bevorsteht und die deswegen (noch) nicht rechtskräftig verurteilt sind.
Der Bundestagsabgeordnete Josef Oster ist schon mehrfach Gast in der Einrichtung gewesen (vor, nicht hinter verschlossener Zellentür), um mit den jeweiligen Anstaltsleitern ins Gespräch zu kommen. „Die JVA verrichtet einen wichtigen Dienst an der Gesellschaft“, betont der Abgeordnete. Mit ihrem Sitz auf der Karthause, quasi mitten im Wohngebiet, wird das Gefängnis in besonderem Maße wahrgenommen – aber eben nur bis vor die Mauer mit der S-Draht-Krone. Über Organisation und Alltag, über Herausforderungen und Chancen sprach Josef Oster mit der stellvertretenden Amtsleiterin Carolin Bucksteeg.
Im Jahr 1947 zog das Gefängnis in die Räume der ehemaligen Spitzberg-Kaserne. Heute ist die JVA Koblenz eine von zwölf Justizvollzugseinrichtungen in Rheinland-Pfalz. 173 Haftplätze stehen in der Anstalt zur Verfügung, davon 147 für den geschlossenen Vollzug. Neun Plätze davon sind für Frauen bestimmt. Mit einer Auslastung von 80 Prozent gilt eine Anstalt als voll, darüber hinaus als überbelegt. „Wir sind quasi immer voll bis überbelegt“, erklärt Carolin Bucksteeg. Im Durchschnitt verbringen die Gefangenen sechs bis sieben Monate in Koblenz, aber es gebe auch Ausnahmen. Ein Mann sei schon fünf Jahre hier „zu Gast“.
Apropos „Gast“: Oster bringt die weit verbreitete Meinung zur Sprache, eine Haftstrafe in Deutschland abzusitzen sei wie Urlaub – mit ansprechend eingerichteten Zimmern, einem Fernseher, ausgewogenem Essen und Freizeitprogramm. „Man macht sich ein falsches Bild davon, was es bedeutet, die Freiheit zu verlieren“, so Bucksteeg. Vor allem in Koblenz sei ein Aufenthalt kein Zuckerschlecken, denn: „Die Untersuchungshaft hat vor allem einen Zweck, und das ist die Sicherung des Hauptverfahrens. Deswegen ist sie viel restriktiver als die Strafhaft, die auch auf Resozialisierung ausgelegt ist.“ Was heißt das? Jeder Brief, jeder Besuch, jedes Telefonat werde überwacht. Den Großteil ihrer Zeit verbringen die Gefangenen allein in ihren in der Regel acht Quadratmeter großen Einzelzellen. Das sind bis zu 23 Stunden am Tag. Auch die Mahlzeiten werden dort eingenommen und nicht, wie manche amerikanischen Filme suggerierten, in großen Essenssälen.
Die Glücklichen unter den Häftlingen können einer, meist niederschwelligen, Arbeit nachgehen und durchschnittlich 13 Euro am Tag verdienen. Da werden zum Beispiel kleine Kartons für Tierarzneien gefaltet. Die Küche ist als Arbeitsplatz sehr begehrt. Wer keinen Gefängnisjob hat und nicht von „außen“ mit Geld versorgt wird (dafür gibt es ein extra Gefängnis-Konto), gilt als bedürftig und bekommt 40 Euro Taschengeld im Monat. Mit dem Geld können die Häftlinge etwa von einer Bestellliste Süßigkeiten, Kleidung oder auch kleinere Elektrogeräte wie Radios oder Wecker ordern. „Das Mieten eines Fernsehers kostet circa 20 Euro im Monat“, räumt Bucksteeg ein. Auch Telefonate und Briefmarken müssen bezahlt werden. Dazu seien die allermeisten Raucher – da sei das Geld schnell aufgebraucht.
Um die Gefangenen rund um die Uhr zu bewachen, ist ein großer Mitarbeiterstamm nötig. 166 Bedienstete beschäftigt die JVA Koblenz, 113 davon im Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD), also uniformiert. 49 Bedienstete sind Frauen, die in allen Bereichen zu finden sind – von Verwaltung bis zum AVD. Hier würde vor allem die kommunikativen Fähigkeiten der weiblichen Angestellten, auch zur Deeskalation, geschätzt.
Ob in Zeiten des Fachkräftemangels die Mitarbeiterakquise leicht sei, will Oster wissen. „Wir sind vor rund anderthalb Jahren noch mal richtig aktiv in die Nachwuchsgewinnung eingestiegen“, berichtet Bucksteeg. Die besondere Herausforderung sei, dass Vollzugskräfte im mittleren Dienst mit 60 Jahren in den Ruhestand gingen. Mit einer Ausbildungsreform, die die Ausbildung von 24 auf 18 Monate verkürzt, wird gegengesteuert. Des Weiteren habe man in Koblenz das Glück, ein großer Bundeswehrstandort zu sein und immer wieder auch ehemalige Zeitsoldaten, die von Hause aus eine Menge „Rüstzeug“ mitbringen, für einen Job in der JVA begeistern zu können.
Für viel Aufmerksamkeit in der Bevölkerung sorgen derzeit die Baumaßnahmen an der Außenmauer des Gefängnisses. Dabei handelt es sich um eine notwendige Sanierung des Mauerwerks, die voraussichtlich im Juli 2025 abgeschlossen sein wird. Ein besonderes Sicherheitsrisiko bestehe nicht, betont Bucksteeg.
„Es ist immer wieder beeindruckend, hier hinter die Kulissen zu schauen“, so Oster. Der Bundestagsabgeordnete dankte der stellvertretenden Amtsleiterin für die vielen interessanten Infos und versprach, bald wieder zu kommen. Am liebsten als Gast, versteht sich.